Boni Island - Holozäne Landschaftsdynamik und Mensch-Umwelt-Beziehung am Vierten Nil-Katarakt (Nord-Sudan)

Researchdata
Maintained by Karin Kindermann
Created at 26.9.2014

Abstract

Der Vierte Nil-Katarakt im Nord-Sudan ist im Jahr 2008 im Hamdab-Stausee untergegangen. Geowissenschaftlich und archäologisch bislang kaum erforscht, stellte er eine einzigartige landschaftliche Versuchsanordnung dar. Am Beispiel der Insel Boni, die für die vorliegende Studie vor der Flutung im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 389 untersucht wurde, wird gezeigt, dass die tektonisch angelegte Kleinkammerung des Reliefs und die nachfolgende, periodisch und saisonal stark wechselnde fluviale und äolische Morphodynamik die Grundvoraussetzungen für die Landschaftsgenese und damit das Nutzungspotential für den Menschen im späten Holozän darstellen. Erstmalig wurde für den gesamten Vierten Katarakt eine topographische Karte im Maßstab 1100 000 auf Basis neuer lagegenauer Daten erstellt. Durch den kombinierten Einsatz von DGPS, hochauflösenden Satellitenbildern, morphologischen Kartierungen und der sediment-stratigraphischen Untersuchung von Leitprofilen konnte anhand von ausgewählten Typuslokalitäten eine Übertragung der morphologischen Befunde und Landnutzungstypen auf die gesamte Insel umgesetzt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass das im Basementgestein angelegte prä-existente Relief auf Boni bereits seit dem Eem wechselnde Sedimentations-, Erosions- und Stabilitätsphasen erfuhr. Phasen verstärkter lokaler fluvialer Aktivität wechselten sich mit Perioden gleichmäßiger ferngesteuerter Sedimentation ab und wurden mehrfach von Zeiten äolischer Dominanz unterbrochen. Die Kleinteiligkeit des Reliefs führte zu enormen Unterschieden in Art und Umfang der rekonstruierten Akkumulations- und Erosionsprozesse auf engstem Raum. Die fluviale Aktivität konzentrierte sich ab dem mittleren Holozän zunehmend auf die schmale Nil-Aue. Morphometrische Detailuntersuchungen belegen, dass die Einschneidung des Nil und der damit verbundenen Tieferlegung der lokalen Erosionsbasis zum einen Terrassenkörper schuf, und zum andern die Längsprofile kleinerer Tributärwadis im Unterlauf kräftig versteilte. Das ehemalige Talbodenniveau konnte zudem durch Sedimente und Molluskenfunde, die durch die Vermessung mittels DGPS in ihrer Höhenlage entsprechend mit den Terrassen und Wadiprofilen korreliert wurden, rekonstruiert werden. Archäologische Funde belegen die Anwesenheit des Menschen auf Boni Island bereits ab dem Mittleren Pleistozän. Von einer intensiven Nutzung der Insel durch den Menschen kann jedoch erst ab etwa 1800 v.u.Z. gesprochen werden. Der Erhaltungszustand eines Kerma-zeitlichen Gräberfeldes (1840-1570 cal BC) deuten auf eine Stabilität der Oberfläche seit mindestens seiner Anlage hin. Somit hat die Ausgestaltung des landschaftlichen Gefügemosaiks bereits vor 1800 v.u.Z. stattgefunden, und das damalige morphologische Inventar entsprach weitgehend dem heutigen. Das enge Nebeneinander von ökologischen Gunst- und Ungunstbereichen bildet die Basis für das rekonstruierte Nutzungspotential und die Mensch-Umwelt-Interaktion auf Boni. Sediment-Verfügbarkeit (Gründigkeit), und Zugang zum Nil-Wasser wurden als entscheidende Faktoren identifiziert. Speziell angepasste Nutzungsstrategien ermöglichten die optimale Inwertsetzung des Potenzials der morphologisch differenzierten Aue und der Kulturterrasse unter Ausnutzung des hydrologischen Jahresgangs des Nil. Dagegen ist außerhalb des Nil-Tals die Hyperaridität der prägende Faktor für die morphologischen Prozesse und die Nutzung durch den Menschen nur eingeschränkt möglich. Die Zusammenschau der Ergebnisse ermöglicht die Erfassung des komplexen und kleingekammerten Gefügemosaiks der Landschaft am Vierten Nil-Katarakt, die Rekonstruktion vorzeitlicher und aktueller Nutzungspotentiale und schließlich eine modellhafte und damit übertragbare Betrachtung auch im Hinblick auf die Auswirkungen aktueller und zukünftig geplanter Nil-Staudammprojekte.

Bibliography

Ritter, M. (2012): Boni Island - Holozäne Landschaftsdynamik und Mensch-Umwelt-Beziehung am Vierten Nil-Katarakt (Nord-Sudan). Institute of Geography, University of Cologne

authorMathias Ritter
key2012
schoolInstitute of Geography, University of Cologne
typephdthesis
urlhttp://kups.ub.uni-koeln.de/4958/
year2012
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